Bis zu Beginn des Jahres 2020 habe ich es geliebt, Mutter zu sein. Ich bin meiner Arbeit nachgegangen, hatte nie Schwierigkeiten, Beruf und Kinder miteinander zu verbinden. Ich fühlte mich ausgefüllt und ausgeglichen. Auch meine Kinder waren stets zufrieden und glücklich mit der Situation. Sie waren bis 15 Uhr in der Betreuung, hatten viel Zeit mit ihren Freunden und am Nachmittag dann noch genügend Zeit mit mir.
Durch Corona hat sich Vieles bei uns verändert. Ich bin seit März 2020 arbeitslos und es gibt momentan keinerlei Perspektive für eine berufliche Zukunft. Meine Aufgaben beschränken sich auf Aktivitäten rund um Haushalt und Kinder.
Als emanzipierte Frau fühlt sich das für mich wie ein riesengroßer Rückschritt an. Ich fühle mich zurückversetzt in das Jahr 1900. Mutter zu sein ist für mich leider zeitweise ein Horror geworden. Auch wenn es ein Tabubruch ist, das so direkt zu sagen, möchte ich es an dieser Stelle genauso aussprechen wie ich es empfinde. Und ich glaube nicht, dass ich die Einzige bin, der es momentan so geht.
Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“! Der Wahrheitsgehalt davon wird mir jetzt erst richtig bewusst. Die elterliche Fürsorge von mir und meinem Mann reicht nicht annähernd aus, um aus unseren Kindern zufriedene, erfolgreiche und sozial kompetente Menschen werden zu lassen. Wir benötigen viele andere Kinder, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Omas, Opas, Tanten, Onkel, Freunde, Nachbarn, Sportvereine und noch einige mehr. Also unser gesamtes soziales Umfeld. Das steht uns aber gerade nicht zur Verfügung. Was also tun? Im Sinne der Kinder versuchen wir möglichst viel davon zu ersetzen. Aber geht das überhaupt? Können wir das alles kompensieren?
Mein Mann ist ein toller Ehemann und auch Vater. Nur leider zurzeit sehr mit vielen Sorgen und Umgestaltungen beschäftigt. Er ist in der Event-Branche selbständig und versucht gerade Geld zu verdienen, wo es nur geht. Und er muss sich umorientieren. Es hängt also an mir, mich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern. Ich bin Mutter, Lehrerin, Psychologin, Animateurin, Hausfrau, Köchin und noch vieles mehr. Mir ist echt schwindelig und manchmal fühle ich mich ein wenig schizophren bei so vielen Persönlichkeiten. Ich versuche Vieles bei uns zu Hause zu kompensieren, habe aber immer das Gefühl wie eine Irre einem bewegten Ziel hinterherzulaufen. Wie der Esel hinter der Karotte: Mein Ziel wird nie erreicht und es gibt keinen Punkt der Zufriedenheit oder des Erfolgserlebnisses. Echt frustrierend!
Und wie sollen wir das über so viele Monate hinweg durchhalten? Die Antwort lautet: Wir versuchen es zwar und zerreißen uns schier aber es gelingt uns nicht. Ich bin nur noch gereizt und fühle mich ausgepowert und auch unsere Kinder werden mit der Zeit immer unzufriedener. Unsere Ehe leidet unter dem Druck! Und den Kindern fehlen ihre Freunde. Psychologisch gesehen sind die in der Entwicklung von Kindern die zentralsten Punkte. Durch das gemeinsame Spiel können Ängste und Sorgen abgebaut werden und sie bereiten sich auf das spätere Leben vor. Fällt auch alles weg. Stattdessen nur Streit und Stress unter den Geschwistern alle 5 Minuten. Manchmal schließe ich mich auf dem Klo ein, um mal ein paar Minuten Ruhe zu haben. Die schlechte Nachricht: Das Geschrei hört man trotzdem!!!
Aber zurück zum Thema: Es wird also von uns allen verlangt, die Corona-Auflagen umzusetzen. Auf der einen Seite finde ich das genau richtig. Unsere Gesundheit zu schützen und auch viele andere um uns herum vor dem Virus zu bewahren ist wichtig und richtig. Auf der anderen Seite steht aber auch unsere psychische Gesundheit, unser Wohlbefinden und die soziale und emotionale Entwicklung unserer Kinder auf dem Spiel.
Sie vermissen ihre Freunde, den Kindergarten, die Schule, ihre Freizeitaktivitäten, Oma und Opa. Die Trauer darüber, die Wut über das Virus und die Angst davor, sich anzustecken kommt dann noch hinzu. Tägliche Wutanfälle, ständige Streitereien, Ein- und Durchschlafstörungen, Bettnässen und viele Tränen sind die Folge. Und das Schlimme ist, ich habe keine Antwort und kein Rezept dafür. Ich kann Ihnen keine Perspektive geben. Nur Erklärungen und viel Liebe. Aber die Erklärungen reichen ihnen oft nicht mehr aus. Sie möchten einfach ihre Freiheit zurück.
Für mich stellt sich das alles als absolute Grandwanderung dar und ich fühle mich hilflos dabei, eine gute Lösung zu finden. Diese Zerrissenheit zieht sich durch mein ganzes Leben und manchmal weiß ich nicht mehr, wie ich das noch schaffen soll. Mein Selbstfürsorge-Programm gespickt mit täglichem Yoga und Auszeiten für mich hilft da nur bedingt. Es gibt nicht viele Inseln mit Zeit und Raum für mich selbst. Und sie unterstützen gerade mal soviel, dass ich nicht durchdrehe und meine Nerven komplett verliere. Ideen hätte ich ja genug aber wann und wo und wie soll ich das umsetzen, wenn die Kinder 24 Stunden um mich herum sind?
Fragen über Fragen und keine Antworten. Uns bleibt in unserem Chaos nur die Hoffnung! Hoffnung auf Verbesserung der Lage, auf Lockerungen und darauf, dass dieser ganze Alptraum keine bleibenden Schäden bei uns hinterlässt.