#15 – Achtsame Kommunikation mit unseren Kindern

Mein 7jähriger Sohn hat oft Wutausbrüche, motzt seine Schwester an, beschimpft seinen großen Bruder und immer wieder erwacht bei mir der Verdacht, dass er Situationen aus seinem Alltag in der Schule, im Hort und auch zu Hause nachempfindet. Er ist diese Art der Kommunikation gewohnt und das macht mir Angst. Genau das möchte ich ändern.

Ich mache mich auf die Suche nach Informationen über eine bessere Art der Kommunikation und möchte meine Ergebnisse mit euch teilen.

Kommunikation ist immer da

Kommunikation hat eine große Bedeutung in unserem Alltag. Wie schon Watzlawick sagte, „man kann nicht nicht kommunizieren.“ Bereits im Babyalter möchten unsere Kinder mit uns in eine Kommunikation treten und die muss nicht immer verbal sein. Nonverbale findet zu einem großen Teil auch gemeinsam mit verbaler Kommunikation statt und es ist wichtig, was damit vermittelt wird.

Wir kommunizieren von Beginn an und bei jeder Begegnung mit unseren Kindern. Ob es uns bewusst ist, oder nicht. Wie und was wir kommunizieren hat Auswirkungen auf unsere Kinder, auf ihr Selbstwertgefühl, ihr Selbstbild und auch auf unsere Beziehung zu ihnen. Dabei ist es wichtig, welches Bild wir von unserem Kind oder von Kindern allgemein haben, wie wir es ansehen, berühren, welche Gesten wir verwenden. Vieles davon geschieht automatisch und ist uns nicht bewusst.

Da es jedoch so große Auswirkungen auf unsere Kinder hat, ist es wichtig dass wir achtsam mit ihnen kommunizieren. Zudem können wir mit achtsamer Kommunikation Konfliktsituationen stressfreier lösen.

So oder so ähnlich kann man das überall im Internet und in vielen Büchern lesen. Das macht mir Streß aber gleichzeitig möchte ich aber auch gut mit meinen Kindern kommunizieren können. Was bedeuten also Achtsamkeit und achtsame Kommunikation mit Kindern und wie kann ich das umsetzen?

Bei Wikipedia finde ich: „Achtsamkeit ist ein Zustand von Geistesgegenwart, in dem ein Mensch hellwach die gegenwärtige Verfasstheit seiner direkten Umwelt, seines Körpers und seines Gemüts erfährt, ohne von Gedankenströmen, Erinnerungen, Phantasien oder starken Emotionen abgelenkt zu sein, ohne darüber nachzudenken oder diese Wahrnehmungen zu bewerten.“

Achtsamkeit bedeutet demnach ohne Ablenkung im Hier und Jetzt verankert zu sein. In dieser Sekunde, ganz wach. Ganz schön schwer, wenn man als Mutter alles Andere auch noch im Blick haben muss. Aber ich kenne das schon aus dem Yoga und aus Achtsamkeitsübungen, die mir überall im Internet und in verschiedenen Kursen begegnen. Also, Handy und Haushalt beiseite legen und ganz auf das Kind konzentrieren, wenn ich mit ihm rede!

Aber warum ist das für die Kommunikation mit Kindern so wichtig?

Kinder kommen als hilflose Wesen auf diese Welt und sind auf ihre Eltern angewiesen. Da kommt mir mein pädagogisches Wissen zugute. „Die angemessene Wahrnehmung und Deutung der kindlichen Signale und ihre prompte und angemessene Beantwortung sind die vier Aspekte der elterlichen Feinfühligkeit. Feinfühlige Eltern lassen sich von ihren Kindern leiten und geben ihnen dadurch Sicherheit. Sie lassen sich dann bei älteren Kindern in der Unterhaltung und beim Spiel vom Kind führen. Sie spüren seinen Zustand und seine Bedürfnisse, indem sie sich in die Bedürfnisse und Gefühle des Kindes einfühlen.“

Kinder sind anders“ nannte schon Maria Montessori eines ihrer Bücher und wenn wir davon ausgehen, ergeben sich daraus neue Sichtweisen. Gelingt es uns, immer wieder inne zu halten und unsere Kinder zu beobachten, ihnen zuzuhören und die Welt mit ihren Augen zu sehen, dann werden wir ihre Erlebnisweisen besser begreifen können. Je nach Alter des Kindes oder der Dringlichkeit, müssen Dinge, die ihnen gerade jetzt in den Sinn kommen, in dieser Minute, in dieser Stunde oder an diesem Tag beachtet werden. Wir Eltern und unsere Kinder, wir sind individuelle Persönlichkeiten und müssen uns in unseren Kommunikations-bedürfnissen immer wieder aufeinander abstimmen.

Dabei achtsam und gewaltfrei vorzugehen hilft, die Kommunikation also in eine positive Bahn zu lenken. Das wiederum wirkt sich positiv auf die kindliche Entwicklung, ihr Selbstwertgefühl und ihre Sichtweise auf uns Eltern und die Welt aus. Der erste Schritt für uns Eltern achtsam mit unseren Kinder zu kommunizieren ist es, innezuhalten, im Hier und Jetzt zu sein und sich von seinen eigenen Gefühlen nicht einnehmen zu lassen. Gar nicht so leicht im turbulenten Alltag mit drei Kindern.

Aber jeder Versuch an jedem neuen Tag zählt!

Aber meine Kinder sind manchmal so schwer zu verstehen, wie vom anderen Stern!

Kindliche Ausdrucksformen wahrnehmen und verstehen

Wie kommunizieren Kinder? In meinem pädagogischen Fundus finde ich Informationen darüber, dass Kinder sechs Ausdrucksformen haben, um einerseits mit ihrem Umfeld in Kontakt zu kommen, andererseits ihrer Umgebung zu offenbaren, wie es ihnen geht, womit sie sich zurzeit in ihrer Seele auseinandersetzen und was sie suchen oder brauchen, um sich wohlzufühlen und identisch mit sich und der Umwelt zu leben.

  1. Verhalten
  2. Spiel
  3. Bewegung
  4. Sprache/Sprechen
  5. Malen und Zeichnen
  6. Träumen

Diese sechs Ausdrucksmöglichkeiten sind ein unendlich vielfältiges, facettenreiches und ausdrucksstarkes Feld, mit dem Kinder uns Tag für Tag erzählen, wie ihr Seelen(er)leben gestaltet ist.

In diesen Formen bringen Kinder ihre Gefühle, Bedürfnisse, Ideen und Wünsche zum Ausdruck. Zum Beispiel verstecken sie sich aus Angst unter einem Tisch (Verhalten), spielen ein Rollenspiel (Spiel), tanzen vor Freude (Bewegung), erzählen von ihren Erlebnissen (Sprache) usw. Es liegt an uns Erwachsenen, diese Ausdrucksformen zu verstehen und zu begreifen. Wozu spielt ein Kind dieses Spiel, wozu erzählt es diesen Inhalt, wozu malt es dieses Bild, wozu hat es diesen Traum gehabt, wozu wählt es diese Bewegung und wozu verhält es sich in dieser Art und Weise?

Häufig brauchen Kinder nur die Möglichkeit, sich in ihrer individuellen und vielfältigen Art mitzuteilen. Es genügt, wenn wir als Eltern diese Ausdrucksformen wahrnehmen so gut es eben geht. Nicht immer wollen Kinder gleich Antworten oder Lösungen. So verarbeiten sie z.B. manche Erlebnisse durch wiederholendes Spiel ohne Beteiligung von Erwachsenen. Kinder zeigen, wenn sie Rückmeldung, Bestärkung oder Hilfe benötigen. Ihr fragender Blick sagt: „Siehst du, was ich gemalt habe?“ Damit lädt das Kind den Erwachsenen zu einer beschreibenden Rückmeldung ein.

Und auch bei wiederkehrendes störendem Verhalten finde ich Anzeichen dafür, dass dies helfen kann. Es kann bedeuten: „Hilf mir! Ich kenn mich nicht mehr aus!“ Das ist eine Einladung, sich mit dem Kind auf die Suche zu begeben, was ihm zu schaffen macht und was es braucht.

Ok, also manchmal einfach mal zurücklehnen, entspannen und meine Kinder oder ein Kind beobachten und in ihrem Verhalten lesen. Das tut mir gut und auch meinen Kindern. Oder gibt es da noch mehr?

Achtsame Kommunikation im normalen Familienalltag

In nicht konfliktbehafteten Situationen, wenn unsere Kinder uns z.B. etwas erzählen oder zeigen, können wir die achtsame Kommunikation sehr gut üben. Ich richte die volle Aufmerksamkeit auf mein Kind, schaue ihm direkt in die Augen (bei kleinen Kindern empfiehlt es sich dafür, in die Knie zu gehen, um auf Augenhöhe zu sein), ignoriere Telefon und Smartphone, denke nicht, was noch alles zu tun ist und höre einfach zu oder schaue mir das Bild oder das Bauwerk aufmerksam an. So zeige ich wirkliches Interesse am Tun meines Kindes, ich sehe die Welt mit den Augen meines Kindes und kann mir sicher sein, dass sich mein Kind von mir gefühlt, gesehen und geliebt fühlt.

Kennst du das? Ein Kind malt ein Bild, zeigt es der Mama und die sagt nur „Das hast du aber schön gemalt“.  Meist schaut es die Mama gar nicht genau an, weil sie gerade beschäftigt ist und nur mit einem Ohr zuhört. Eine Floskel also, ohne wirkliches Interesse gezeigt zu haben. Und doch geschieht das uns Eltern im stressigen Familienalltag immer wieder.

Und was genau ist denn nun das „Problem“ an dieser Floskel? Erstens fühlt sich das Kind nicht gesehen (wie oben beschrieben), zweitens ist diese Floskel ein Lob (und Loben macht unsere Kinder süchtig und setzt sie langfristig unter Druck –und drittens ist die Floskel eine Bewertung. Und eine Bewertung ist immer subjektiv, wird aber hier nicht subjektiv ausgedrückt. Das kann dein Kind ganz schön in eine Zwickmühle bringen, denn stell Dir mal vor, Dein Kind selbst findet sein Bild gar nicht schön. Was dann? Wer hat nun Recht? Bei solchen kreativen Dingen gibt es aber doch gar kein richtig oder falsch…

Und ich höre schon manch Widerstand: Darf ich meinem Kind nicht sagen, dass es etwas schön gemacht hat? Doch, natürlich darfst du das! Wenn es aus deinem Herzen kommt und am besten verpackt in eine „Ich-Botschaft“. Also nicht „Das hast DU aber schön gemalt“, sondern „ICH finde das Bild sehr schön!“ oder „ICH finde, das Bild ist sehr farbenfroh“.

Das kann ich mir alles gut mit jedem Kind einzeln vorstellen. Aber wie soll das funktionieren, wenn es so richtig turbulent wird, alles mal wieder durcheinander redet, sie sich streiten und alle gleichzeitig was von mir wollen?

Achtsame Kommunikation in herausfordernden Familiensituationen

In herausfordernden Familiensituationen ist die achtsame Kommunikation schon schwieriger. Sie lässt sich zum großen Teil in der Lehre der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg finden.

 Was ist mit „Gewaltfreier Kommunikation“ gemeint?

Rosenberg hat sich damit beschäftigt was passiert, wenn wir eben nicht mehr achtsam und einfühlsam sein können und gewalttätig und ausbeuterisch handeln. Er hat aber auch Menschen beobachtet, die das jedoch in schwierigsten Situationen beherrscht haben. Das führte ihn zu der Frage wann und unter welchen Bedingungen es für alle möglich sein kann.

Er kam zu der Erkenntnis, dass Sprache und der Gebrauch von Wörtern hier eine entscheidende Rolle spielen. Die Zentrale Rolle dabei bildet jedoch das Zuhören, „das uns dazu führt, von Herzen zu geben, indem wir mit uns selbst und mit anderen auf eine Weise in Kontakt kommen, die unser natürliches Einfühlungsvermögen zum Ausdruck bringt.“ Gewaltfrei bedeutet, den Zugang zu sich selbst nicht zu verlieren, egal was passiert. Aus Gewohnheit und Automatismen echte Bewusstheit, Liebe und Wertschätzung zu schaffen.

Aber wie kann ich das genau in der Praxis umsetzen?

  • Ich-Botschaften

Ohne die eigene Position aufzugeben und mit klaren Ich-Aussagen wie „Ich höre, dass du noch gerne bleiben willst, aber wir müssen jetzt gehen, weil der Kindergarten zusperrt.“, fühlt sich das Kind geachtet, auch wenn sein momentaner Frust bleibt. Ich-Botschaften vermeiden Verurteilungen oder Beurteilungen des anderen und vermitteln die Position des Gesprächspartners. Das Bedürfnis des Kindes wird wahrgenommen, ernst genommen und es lernt dadurch, dass es Alltagsspielregeln und Notwendigkeiten sowie unterschiedliche Interessen gibt.

  • eindeutige, positive Formulierungen

Wichtig ist, dass Anweisungen eindeutig und positiv formuliert werden, damit das Kind sie verstehen kann. Formulierungen mit „nicht“ werden im frühen Alter noch nicht verstanden. So sollte man „Halte dich gut fest!“ statt „Fall´ nicht runter!“ sagen. Und Sätze wie „Du sollst/musst jetzt sofort…!“ regen eher zum Widerstand an, und dies ganz besonders in der Trotzphase.

Sachliche Hinweise über Konsequenzen sind dagegen nützlich: „Wenn du die Katze am Schwanz ziehst, tut ihr das weh und sie kratzt dich.“ Solche Informationen unterstützen die Entwicklung des Denkens und des Einfühlungsvermögens. Dadurch lernt das Kind, etwas nicht nur von sich aus zu sehen, sondern auch zu bedenken, dass ein anderer Mensch, ein anderes Lebewesen anders denkt und fühlt.

  • Gewaltfreie Kommunikation durch:
  • Beobachtungen: 
    wertfrei äußern was wahrgenommen wird. z.B. Ich sehe du hast Max das Auto aus der Hand genommen.
  • Gefühle:
    Aussprechen, was man fühlt. Wenn ich das sehe, bin ich verärgert. Und hierbei ist es wichtig, das Gefühl tatsächlich zu benennen und keine Interpretationen zu benutzen. Sätze, die mit ich habe, das Gefühl, dass… oder ich fühle mich… sind in der Regel Interpretationen. Ein Gefühl kann meist am einfachsten mit Ich bin… ausgedrückt werden.
  • Bedürfnisse:
    Benennen, welches Bedürfnis hinter dem Gefühl steckt z.B. Mir ist es wichtig, dass wir uns alle gut vertragen und lieb miteinander umgehen.
  • Wunsch/Bitten:
    Es wird ein Wunsch, eine Bitte formuliert, betreffend das Verhalten des Gegenübers, das sich verändern muss, um das eigene Bedürfnis zu erfüllen. z.B. Ich würde mich freuen, wenn ihr euch das Auto teilen könntet.

Wichtig ist hierbei, dem Gegenüber die freie Wahl zu lassen, ob er sein Verhalten ändern möchte oder nicht. Die Verantwortung hierfür liegt beim Gegenüber.

Beispiel aus der Eltern-Kind-Gruppe:

  1. Wahrnehmung: Die Mutter sieht ihre Tochter mit Hingabe mit der Puppe spielen. Beim Blick auf die Uhr merkt sie, dass sie es schon eilig hat, den Sohn rechtzeitig von der Schule abzuholen.
  2. Gefühle: Die Mutter ist enttäuscht, dass sie gleich aufbrechen müssen und sie ihre Tochter nicht fertig spielen lassen kann und sie ist ungeduldig, weil es schon so spät ist.
  3. Bedürfnis wahrnehmen: Die Mutter will den Sohn pünktlich abholen und möchte, dass sich die Tochter beeilt.
  4. Bitte äußern: „Ich sehe, dass du noch mit der Puppe spielen möchtest. Leider müssen wir jetzt deinen Bruder von der Schule abholen. Ich will pünktlich sein, da er sonst alleine warten muss. Bitte lege die Puppe ins Bett und hole deine Jacke!“

Wenn eine Bitte in dieser Weise gestellt wird, kann die Tochter den Wunsch der Mutter leichter verstehen, fühlt sich selbst wahrgenommen und kann dadurch der Aufforderung leichter nachkommen.

Durch achtsame Kommunikation das Familienleben ändern

Ich habe es ausprobiert und in jeder Situation festgesttelt: es lohnt sich, mit seinen Kindern achtsam zu kommunizieren. Denn nicht nur sie profitieren jedes Mal, wenn es mir gelingt, von dieser Art von Kommunikation (Selbstbild, Selbstgefühl, Selbstwert), sondern auch ich als Mama. Denn neben der Möglichkeit, Konflikte harmonischer zu lösen, lernen wir uns dadurch so viel besser kennen, weil wir uns auf diese Weise darüber bewusst werden, wie wir uns gerade fühlen und welche Bedürfnisse wir selbst haben.

Und nebenbei lebe ich und mittlerweile auch mein Mann unseren Kindern eine respektvolle & authentische Kommunikationsart vor, eine Fähigkeit, die für das gesamte Leben von enormer Bedeutung ist.  Mit dieser Art der Kommunikation verändert sich unser Familienleben stetig zum Besseren! Doch nicht nur unsere Kinder sollten in den Genuss der achtsamen Kommunikation kommen – auch unser Partner / unsere Partnerin, unsere Freunde, Bekannten, ach eigentlich jeder Mensch hat diese Art der Kommunikation verdient!

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